Heute ist es erst 5.41 als ich erwache. Trotz der Möglichkeit auszuschlafen, hat sich mein Biorhythmus auf kurz vor 6.00 Uhr eingependelt. Kurz strecke ich mich.
Dann schnappe ich mir mein Telefon und eine Schale mit Hühnerfutter. Draußen ist es bitterkalt. Frost liegt auf der Wiese, den Beeten, sogar auf dem vergessenen Pullover meiner jüngsten Tochter, den sie achtlos in den Buchsbaum geworfen hat.
Mein Wintermantel hüllt mich ein. Auf dem Weg zum Hühnerstall höre ich die Stille. Kein Auto ist zu hören, die Vögel zwitschern, der Hahn kräht um sein Recht nun endlich aus dem Stall gelassen zu werden. Doch nicht still, aber ein wunderbarer Lärm, der mich in unserem Hof empfängt.
Die Kinder schlafen noch. Ich bin an der Stalltür angelangt und da stehen sie schon und warten, unsere Hühner und ein Hahn (schwedisches Blumenhuhn). Nacheinander verlassen Greta, Flicka, Daphne, Schneeweißen und puuh. Die Mädchen wissen genau wie unsere Hühner heißen, ich auch fast. Neun Hühner haben wir geholt und genau zu dem richtigen Zeitpunkt, denn in der Not kann man auch mal Eier essen.
Die Dorfbewohner, die ich kenne haben tatsächlich Hamsterkäufe getätigt. Für uns habe ich nur das Nötigste geholt, Reis, Quinoa, Hafermilch und Zwiebeln. Nicht in großen Mengen, aber noch reicht es.
Ein Auto habe ich seit Dezember nicht mehr und nun bin ich auf meine Nachbarn angewiesen, die mich ab und zu mal mitgenommen haben zum Einkaufen. Nun kommt schon seit Tagen keiner mehr, denn wir sollen ja Abstand halten. Oder fährt keiner mehr einkaufen, weil es nichts mehr gibt? Frisches gibt es bei uns kaum noch. Ich kreiere Rezepte mit dem was wir haben und mit Wildkräutern, die jetzt wie wild wachsen.
Seit ein paar Tagen habe ich ein Fahrrad und die erste Tour zum „Konsum“ war anstrengend.
Mein Weg führt mich zum Wachtelstall. Die Kaninchen haben heute drin geschlafen. Alle werden gefüttert, dann kümmere ich mich um mich.
Ich setzte Teewasser auf, gehe ins Bad und erledige meine ayurvedische Morgenroutine. Zwanzig Minuten meditiere ich, das tut gut.
Dann gehe ich mit dem fertigen Tee wieder in die Kälte. Das Handy ist gezückt und nun kann es losgehen. Erst Nachrichten checken, dann die Hausaufgaben der Kinder von den Lehrern empfangen und der regelmässige Instagram Post. Ich poste Rezepte, Ideen oder mein Feeling in Zeiten des Corona Virus.
Ich bin sehr glücklich, denn mein Weltschmerz ist einer inneren Ruhe gewichen, die ich bis dahin gar nicht kannte.
Keine Pläne, nichts organisieren, nur mit der Natur leben.
Kinderalltag, fast wie früher
Zwischen 7.30 und 8.00 Uhr steckt das erste Kind seinen Kopf zur Türe heraus und brüllt in den Hof: ‘Guten Morgen, Mama’. Das Zeichen, um mich wieder rein begeben und Frühstück vorzubereiten. Heute machen wir Quinoa Omelette. In Ecuador hat mir ein Cafebesitzer beigebracht wie die zubereitet werden. Mittlerweile habe ich -zig Kreationen entdeckt. Heute gibt es die mexikanische Gut Bio Variante aus dem Aldi, natürlich mit Zwiebeln, Eiern und Wildkräutern.
Die Mädchen verlangen nach Süßem. Gestern kam das Paket von Oma an, mit süßen Osterhasen und warmen Klamotten. Schon niedlich. Natürlich habe ich die Sachen gleich versteckt. Die Lust auf Süßes bleibt. Momentan habe ich nicht mehr die Zutaten, um unsere Schokocreme zu machen, also bleibt nur der Griff in die Schatzkiste und ich hole ein paar Sachen raus. Ich verstecke sie im Garten. Die Kinder sind selig. Auf Quinoa Omelette hat keiner mehr Lust. Nicht schlimm, denn das eine Omelette ist angebrannt und die anderen müssen noch für den nächsten Insta Post posieren.
Die Kinder finden sofort neue Aufgaben, die sie erledigen können. Natürlich eher nicht Mathe oder Deutsch. Da wird erstmal der Trampolin geschrubbt, den die Jungs von oben gestern mit Eis, Sand und wasser dekoriert haben.
Der Hunger ist wieder da und die Große schnappt sich die Hälfte der Quinoa Omelettes und geht in ihr Zimmer. Sie will ein Hörspiel hören.
Bei uns gibt es weder einen Fernseher, noch eine tolle Internetverbindung, im Haus geht gar nichts.
Irgendwie toll.
Die Kleine will die großen Kartons haben. Auf die Frage wofür gibt sie erstmal keine Antwort. Eine Weile später schleift sie ihr Kaninchen Pauli in ihr Zimmer und zeigt mir voller Stolz das neue Kaninchenhaus.
Chaotisch ist für unseren Haushalt momentan noch geschmeichelt.
Überall stehen Geschirr, Kartonreste, Wäscheberge und die Überreste der kreativen Ergüssen meiner Kinder.
Dann ist schon wieder Mittagszeit. Auf die Frage, was ich heute kochen soll, folgt nur ein Schultern zucken. Was kochen wir. Gut, dann gibt es Kartoffelsuppe mit Wildkräutern. Mich überkommt die Lust nach Zucchini, Tomaten oder frischen Erdbeeren. Leider ist es noch zu kalt. Das Mittag ist fertig.
Danach sitzen wir am Tisch und schreiben Briefe. An die Omas und Opas, die nun nicht mehr besucht werden dürfen.
Die Sonne, die seit Tagen scheint finde ich wunderbar. Ich frage mich aber, warum das vorher nicht so war. Eine weitere Frage brennt auf meiner Seele, wenn der Lockup bis in den Winter hineingeht, werden wir dann wieder einen Schneemann bauen?
Unsere tägliche Freude – der Postbote
Ein wenig später, so gegen 15.00 Uhr kommt die Post, auch die Hühner haben eine feste Zeit, ihre Eier zu legen. Meist fängt Greta gegen 10.00 Uhr an, das erste Ei zu legen. Wir haben nur ein Nest und so legen sie nun auch in den Hasenstall ihre Eier. Die Hasen waren auch im Lockup, aber sie haben sich ihre Nischen gesucht und laufen auf dem ganzen Grundstück rum. Ach, lass sie doch sind meine Gedanken. Der Platz, den sie haben ist viel zu schattig.
Die Post bringt endlich den heiß erwarteten Chemielaborkasten und dann experimentiert die Große wie wild los. Die Kleine will auch, aber die darf nicht. Für sie kommt hoffentlich bald der Experimentierkasten mit den Salzkrebsen. Neue Bücher haben wir bestellt, Hörspiel CDs von den Drei Ausrufezeichen, nur Essen können wir nirgends mehr bestellen, weil sie nicht so weit liefern, oder die Systeme, aufgrund der hohen Nachfrage, Neukunden nicht zulassen.
Irgendwie fern diese Realität. Das System Schule scheint ein Relikt aus einer längst vergangenen Zeit zu sein. Ein Gefühl für die systemischen Zeiten habe ich verloren. Ich sitze in der Hängematte, Grünfinken, Sperlinge, Meisen, Rotkehlchen und andere Arten, die ich nicht benennen kann, flattern fröhlich um mich herum. Es muss wohl Frühling sein. Meine Gedanken schweifen ab. Uhren sind für mich überflüssig, die Natur bestimmt den Rhythmus. So sollte es sein.
Freunde und Familie
Ein Highlight für die Mädchen sind die Jungs von oben, mit denen sie noch spielen dürfen, denn alle anderen sind in Quarantäne. Wir auch. Wie setzt man oder frau das um, wenn sich zwei Familien den gleichen Hof teilen. Gar nicht, richtig.
So wird denn bis zum Abend wild gebuddelt, Höhlen und Häuser gebaut und konstruiert. Trampolin wird gesprungen. Mit Freunden und der Familie wird in regelmäßigen Abständen telefoniert.
Ich selbst schreibe, räume auf, säe oder unterstütze bei Projekten. Faul rumliegen und Null Bock hat hier Keiner. Vielleicht Null Bock auf die Hausaufgaben, zumindest die Kleine ist überfordert, da sie von einer Waldorfschule in eine staatliche Schule wechseln musste. Aber noch sind wir zu Hause.
Ein gewisser Druck ist von den Lehrern zu spüren, dennoch sehe ich das gelassen. Denn zu Corona Zeiten wird dies wohl nicht dem Schulamt gemeldet. Unsere Freilerner Zeit ist zurück und ich bin so unbeschreiblich dankbar.
Die Kinder, die auch. Nur die Freunde vermissen sie. Denn weder die Schulkinder sehen sich, noch die Freilerner Kinder.
Heute Abend gibt es nur Brot, nicht ganz ayurvedisch – mit Käse überbacken. Der letzte Käse, aber immerhin ist das Essen warm.
Die Mädchen stecke ich in die Badewanne, denn heute sind sie echt dreckig. Morgen wasche ich Wäsche. Zum Abendessen dürfen sie heute ‘Die kleine Hexe’ schauen. Vorlesestunde gibt es bei uns nicht mehr so häufig. Die Großen lesen selbst und die Kleine ist nicht so sehr an Büchern interessiert. Dafür umso mehr am Kochen. Davon werde ich das nächste Mal berichten.
Ach, den Hühnerstall und den Hasenstall noch schließen. Danach fallen wir alle hundemüde und glücklich ins Bett.
Schön, so ein Corona Alltag.
Hey liebe Daniela
GAnz toll was du so schreibst und wie du erlebst und es teilst!!
Lese gern wieder mehr von dir!!
Wo wohnt und lebt ihr denn jetzt??
Ists bei Medewege geblieben??
Kannst dich wahrscheinlich garnicht mehr an mich erinnern, wobei ich mich noch sehr verbunden mit dir fühle.
Falls euch mal die Decke auf den Kopf fällt könnt ihr uns gern besuchen, Maia, Oaula und Laios und ich freuen sich immer über Besuch 🙂
LG Viviane